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Gericht Aktenzeichen Datum Az der Vorinstanz Stichworte
Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg Schiedsspruch 08.05.2013 Vertragsrecht, Onlineshop- und Webhosting-Vertrag mit Umsatzprovision
A.      Tatbestand:
Streitig ist eine Forderung der Schiedsklägerin gegen die Schiedsbeklagte aus einem Vertrag über die Erstellung und den Betrieb eines Onlineshops auf Provisionsbasis. ...
B.      Entscheidungsgründe:
… II.   Die Schiedsklage ist in der Hauptsache begründet. Der Schiedsklägerin steht gegen die Schiedsbeklagte die Schiedsklageforderung aus Umsatzbeteiligung am Onlineshop gemäß Vertrag ... zu.
1.       Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich aus dem ... zustande gekommenen Onlineshop-Vertrag. Dieser ist im Rahmen der Vertragsfreiheit wirksam und verstößt nicht gegen (zwingende) gesetzliche Vorschriften wie z.B. §§ 134, 138 BGB.
Dafür dass die Schiedsklägerin allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hätte, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder aus der Vertragsgestaltung zu ersehen. Davon abgesehen wäre auch keine unangemessene Benachteiligung des Unternehmens der Schiedsbeklagten als Handelsgesellschaft (GmbH) im kaufmännischen Verkehr zu erkennen nach § 307, § 310 Abs. 1, § 14 BGB, §§ 1, 6 HGB.
Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (§ 314 BGB) mit miet- bzw. leasing- nebst z.T. dienstvertraglichen oder handelsvertreterähnlichen und anfangs werkvertraglichen Elementen (vgl. §§ 535 ff BGB, §§ 611 ff BGB, §§ 84 ff HGB; BGH vom 15. November 2006 XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394; OLG Köln vom 13. Mai 2002 19 U 211/01, CR 2002, 832; AG Charlottenburg vom 11. Januar 2002 208 C 192/01, CR 2002, 297 m. Anm. Runte; Dieselhorst/Grages, MMR 2011, 368); im Unterschied zu einem Kauf von Standard-Software (§§ 433 ff BGB) oder zu einer bloßen Geschäftsbesorgung (vgl. §§ 675 f BGB; OLG München vom 5. Dezember 2002 6 U 5770/01, NJW-RR 2003, 1423) oder zu einem im Schwerpunkt werkvertraglichen Charakter (vgl. §§ 631 ff BGB; Brandenburgisches OLG vom 22. November 2011 Kart U 4/09, MMR 2011, 368; BGH vom 28. Juli 2011 VII ZR 45/11, NJW-RR 2011, 1588; vom 24. März 2011 VII ZR 164/10, WM 2011, 1716; VII ZR 135/10, CR 2011, 528; VII ZR 134/10, Juris; VII ZR 111/10, WM 2011, 1997; vom 27. Januar 2011 VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149: vom 4. März 2010 III ZR 79/09, BGHZ 184, 1449).
Nachdem die Schiedsklägerin die Anfangsaufwendungen für die Gestaltung und Inbetriebsetzung und das mit diesen Aufwendungen verbundene Risiko übernommen hat, erhält sie anschließend für die Dauer ihrer Shop- nebst Domain-Bereitstellung und Pflege die 5 % Umsatzbeteiligung. Während der Shop weiterhin der Schiedsklägerin gehört, wachsen neue Online-Kunden mit Kundendaten der Schiedsbeklagten zu. Durch diese Gestaltung wurde die Schiedsbeklagte von hohen Anfangskosten entlastet. Zugleich bewirkt die Umsatzbeteiligung ein gleichgerichtetes Interesse der Vertragsparteien an der Entstehung und Erhöhung der Umsätze sowie an einem entsprechenden Geschäftserfolg (vgl. OLG Düsseldorf vom 7. September 2009 I-16 U 62/08, Juris). ...
4.       Soweit die Schiedsbeklagte jetzt im Schiedsverfahren einwendet, nur eine Umsatzbeteiligung an den durch die vorgesehene Onlinewerbung generierten Umsätzen sei vereinbart worden, so ergibt sich dagegen aus dem klaren Vertragswortlaut, dass die Umsatzbeteiligung sich auf 5 % „aller im Onlineshop generierten“ Umsätze beläuft. Es kommt danach nur auf die Bestellungen über den Onlineshop an und nicht auf realistisch kaum feststellbare Umstände, wie etwa der jeweilige Kunde ursprünglich geworben wurde oder was oder welche Werbung ihn zu seiner jeweiligen Bestellung bewogen hat.
a)       Sofern eine Partei den schriftlichen Vertragsinhalt einschränkende Vereinbarung geltend machen und damit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde widerlegen will, obliegt dieser Partei der Beweis (entsprechend §§ 286, 416 ZPO; vgl. BGH vom 17. April 1997 I ZR 251/94, NJW-RR 1998, 32; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 93 „Form“, § 416 Rd. 7 „Vertragsurkunde“ m.w.N.; Geimer in Zöller, ZPO, 29. A., § 416 Rd. 10 m.w.N.). ...
b)       Außerdem hat die Schiedsbeklagte für den ... Zeugen ... dessen angekündigte jetzige schweizerische Adresse nicht nachgereicht. Danach kommt es nicht mehr an auf Verfahren gemäß § 1050, § 1062 Abs. 4 ZPO und gemäß dem Haager Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970 (BGBl. 1977 II, s. 1452, 1472) i.V.m. Beitritt und Vorbehaltserklärungen der Schweiz mit Wirkung ab 1995 (BGBl II 1995, 532 ff). Im Übrigen hat die Schiedsbeklagte weder ein entsprechendes Verfahren beantragt noch angeboten, den außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässigen Zeugen selbst zu stellen.
c)       Davon abgesehen hat die Schiedsbeklagte unstreitig auf die Umsatzbeteiligungen die im September und Dezember 2011 verbuchten Zahlungen geleistet, die bei der Berechnung der Schiedsklageforderung berücksichtigt worden sind ... Mangels ersichtlicher oder von der Schiedsbeklagten behaupteter Vorbehalte lassen die Zahlungen auf eine Anerkennung der vertraglichen Verpflichtung schließen (vgl. BGH vom 8. Juni 1988 IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 m.w.N.; ferner Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 194 „Teilleistung“; BGH vom 1. Dezember 2005 I ZR 284/02, TransportR 2006, 202) ...
7.       Soweit die Schiedsbeklagte sich jetzt im Schiedsverfahren auf verspätete Bereitstellung des Onlineshops - erst nach dem Weihnachtsgeschäft 2010 - beruft, bleibt die Schiedsklageforderung unberührt.
a)       Ohnehin bezieht sich die Schiedsklage nur auf Umsatzbeteiligungen aus den Monaten, in denen der Onlineshop bereitgestellt war und durch Online-Bestellungen Umsätze generierte ...
b)       Der jetzigen Beanstandung stehen im Übrigen die als Abnahme anzusehende vorbehaltlose Ingebrauchnahme des Onlineshops ... sowie die vorbehaltlosen Zahlungen im September und Dezember 2011 entgegen, die auf eine Anerkennung der ihnen zugrundeliegenden monatlichen Umsatzbeteiligungen schließen lassen ...
c)       Davon abgesehen ist dem Vertrag keine verbindliche Terminsvereinbarung vor dem Weihnachtsgeschäft zu entnehmen. Dass der erst am 26. November 2010 unterschriebene Vertrag „zum 01. 11. 2010“ geschlossen wurde, lässt nicht ohne weiteres auf einen verbindlichen Fertigstellungstermin schließen. Dieser hätte nämlich eine beiderseitige vorherige Tätigkeit oder Mitwirkung erfordert. Eine genaue Vereinbarung war auch nicht zwingend erforderlich, weil bei Vertragsschluss zugleich ein Interesse der Schiedsklägerin an frühestmöglicher Inbetriebsetzung des Online­shops zwecks ihrer Umsatzbeteiligung angenommen werden konnte.
d)       Selbst wenn ein solcher Termin hätte festgestellt werden können, könnte die Nichteinhaltung gegenüber der Schiedsklägerin nur dann von der Schiedsbeklagten geltend gemacht werden, wenn letztere alle ihrerseits dazu erforderlichen Mitwirkungen ... rechtzeitig vorher erbracht hätte ...
8.       Die von der Schiedsbeklagten erhobene Einrede der unzureichenden Vertragserfüllung der Schiedsklägerin (§ 320 BGB) greift insbesondere insoweit nicht durch, als es um die Shop-Pflege geht.
a)       Soweit die Schiedsbeklagte vorträgt, die von ihr bereitgestellten Texte, Fotos und Erläuterungen, auch in russischer Sprache, betreffend aktuelle Artikel, Preise, Rabatte und Zahlungsarten einfacher und schneller durch eigenes Personal ins Netz gestellt zu haben, kann daraus geschlossen werden, dass ihr die Schiedsklägerin einen geeigneten und leicht zu bedienenden Zugang bereitgestellt hat. Dadurch konnte die beiderseitige Mitwirkung und Zusammenarbeit zeitlich effektiver und nicht nur für die Schiedsklägerin, sondern auch für die Schiedsbeklagte erleichtert werden. Durch diese Weg-Abkürzung und Beschleunigung konnten Pflege und Aktualität verbessert werden, ohne dass der Schiedsklägerin mangelnde Vertragserfüllung vorzuwerfen wäre. Sie blieb für gestalterisch oder technisch anspruchsvolle Arbeiten zuständig und verantwortlich und musste aufgrund ihrer Betreuungspflicht ... mit ihrem Personal ständig zur Verfügung stehen, um den Onlineshop betriebsbereit zu halten, etwa auch bei technischen Störungen oder Internetangriffen von außen ...
c)       Im Übrigen fehlt es an einer substanziierten Darlegung und hinreichenden Beweisbehauptung der Schiedsbeklagten ..., welche Verpflichtung die Schiedsklägerin konkret nicht erfüllt haben sollte oder bezüglich welcher Daten oder Unterlagen die Schiedsklägerin eine Netzeingabe verweigert oder verzögert habe ...
10.     Sofern die Schiedsbeklagte weiter bestreiten will, dass die Schiedsklägerin ihrer Verpflichtung zur Werbung in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter nicht nachgekommen sei, wird demgegenüber diese Werbung - mit einer Reihe von interessanten Aufmachern und Ideen - überzeugend belegt durch die eingereichten Kopien aus den Facebook- und Twitter-Accounts für den Onlineshop ... Auch insoweit lässt sich aus dem pauschalen ... Vortrag der Schiedsbeklagten ohne konkrete Beweisbehauptung nicht nachvollziehen ..., welches von ihr bereitgestellte Material oder welche sonst in Betracht kommenden Möglichkeiten die Schiedsklägerin nicht genutzt oder umgesetzt hätte ....
11.     Soweit die Schiedsbeklagte den Zugang und die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung des Onlineshop-Vertrags seitens der Schiedsklägerin bestreitet, bleibt dadurch die Schiedsklageforderung auf die ausstehenden Umsatzbeteiligungen für die vorangegangenen Monate unberührt ...
13.     Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob oder dass - unabhängig von der Vertrags-Mindestlaufzeit oder von einer ordentlichen Kündigung - das vorstehend charakterisierte Dauerschuldverhältnis ... fristlos gekündigt werden konnte, nicht nur gemäß Vertrag ... oder aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 626 BGB, § 89a HGB, sondern speziell, nach mietrechtlicher Einordnung der - im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen - noch nicht abgeschlossenen Leistungen, wegen Zahlungsverzugs mit mehr als zwei Monatsbeträgen gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB; das heißt bei dauerhafter Zurverfügungstellung von Software und Speicherkapazität im Sinne von virtuellen Räumen entsprechend dem für die Geschäftsraum-Miete geltenden Kündigungsrecht (vgl. LG Mannheim vom 7. Dezember 2010 11 O 273/10, Juris m. Anm. Lapp); einschließlich der Berechtigung des Vermieters zur Abschaltung der Versorgung (vgl. Klärung des vorherigen Meinungsstreits durch BGH vom 6. Mai 2009 XII ZR 137/09, BGHZ 180, 300) ...
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Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg Ergänzungsschiedsspruch 17.06.2013 Schiedsverfahrenskosten
...
B.      Entscheidungsgründe:
I.
Über die Kosten wird im schriftlichen Verfahren durch Ergänzungs-Schiedsspruch entschieden (§ 1057 ZPO; § 27.2 Regulativ des Schiedsgerichts der Handelskammer; vgl. OLG München vom 1. April 2010 34 Sch 19/09, Juris) ... In diesem Zusammenhang wird auch über die als Nebenforderung geltend gemachten Kosten der vorgerichtlichen Vertretung befunden, wie ... in der mündlichen Verhandlung zurückgestellt ... und in der Gesamtbeurteilung nach § 15a RVG sachgerecht.
II.
Die von der Schiedsklägerin mit der Schiedsklageschrift und im schriftlichen Verfahren geltend gemachten Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Vertretung sind von der Schiedsbeklagten wegen ihres Verzugs ... gemäß § 288 Abs. 4 BGB als Schaden der Schiedsklägerin zu ersetzen; im Übrigen auch nach § 1057 ZPO i.V.m. § 91 ZPO ..., soweit sie durch die Prozessvorbereitung verursacht sind (vgl. Baumbach/Lauter­bach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 91 Rz. 270 „Vorbereitungskosten“). Bei den vorgerichtlichen Vertretungskosten handelt es sich um die 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV...
III.
1.       Nach dem Ausgang des Schiedsverfahrens in der Hauptsache trägt die Schiedsbeklagte als unterlegene Schiedspartei die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß der dispositiven Regelung des § 1057 ZPO i.V.m. entsprechender Anwendung von § 91 ZPO (vgl. § 27.1 Regulativ des Schiedsgerichts), das heißt einschließlich der außergerichtlichen Kosten (vgl. Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg vom 21. Juni 1996, NJW 1997, 613, RIW 1996, 771 m.w.N.).
2.       Die angefallenen Schiedsgerichtskosten hat die Schiedsbeklagte der Schiedsklägerin ...  zu erstatten ...
3.       An außergerichtlichen Kosten hat die Schiedsbeklagte der Schiedsklägerin deren - ausgehend von den Wertgebühren nach §§ 2, 13 RVG berechneten - Anwaltskosten im schiedsrichterlichen Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 RVG zu erstatten, und zwar mit den gemäß Teil 3 Abschnitt 1 und 2 VV von der Schiedsklägerin angesetzten und unstreitigen Beträgen ... Diese belaufen sich zusammen mit der vorgerichtlichen 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV ... und nach deren teilweiser d.h. 0,65 Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG, Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 VV ... auf ...
Im einstufigen Schiedsverfahren handelt es sich nach dem Streitwert ... um die 1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV  ... sowie die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV ... Diese ... Gebühren sind in der letzten Tatsacheninstanz angemessen und im Rahmen des vom Schiedsgericht nach § 1057 ZPO auszuübenden Ermessens als üblich und sachgerecht anzusehen (vgl. Schiedsspruch Hamburg vom 1. Juli 2006, BeckRS 2006, 11063; vgl. Empfehlungen DAV im Einvernehmen mit DRB § 1 Abs. 2 Satz 2, DRiZ 2006, 133); dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Umständen anderes bei einem niedrigeren Streitwert gelten würde, der beim staatlichen Gericht nur den Zugang zum Amtsgericht als letzter Tatsacheninstanz eröffnet hätte (Schiedsspruch Hamburg vom 21. Dezember 2005, Hamburger Seerechts-Report 2006, 1, Schiedsspruchsammlung hk24de RKS D 2a Nr. 5, M 4 Nr. 18) ...
IV.
Die Zinsnebenforderung auf die Kostenerstattung folgt aus § 1057 Abs. 2 i.V.m. entsprechender Anwendung von § 104 ZPO (vgl. OLG München, Beschluss vom 25. Oktober 2006, 34 Sch 24/06, DIS-Datenbank).
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Gericht Aktenzeichen Datum Az der Vorinstanz Stichworte
Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg 21.03.1996 UK-Kaufrecht (CISG): Anwendungsbereich, Sukzessivlieferungsvertrag, Vorkasseklausel, Schadensersatz, Zinsen
Tatbestand:
Streitig ist die Aufrechnung der Bekl. mit Schadensersatzforderungen wegen Aufhebung eines Belieferungsvertrags gegen unbezahlte Forderungen der Kl. aus früheren Lieferungen.
Die Kl. und eine mit ihr wirtschaftlich verbundene Gesellschaft A - beide Gesellschaften in Hong Kong - hatten 1991 und 1992 im wesentlichen gleichlautende Agreements mit der Bekl. - einer Gesellschaft in Deutschland - über deren alleinige Belieferung mit bestimmten Produkten aus der Volksrepublik China geschlossen. Danach waren die Kl. bzw. A für das Verhältnis zur Herstellerseite in China und die Bekl. für den Vertrieb in Europa und anderen Ländern zuständig. Für Streitigkeiten wurde das Schiedsverfahren vor der Handelskammer Hamburg vorgesehen.
Die Kl. und A werden durch denselben geschäftsführenden Gesellschafter H vertreten.
Regelmäßig wurde die Ware von den Kunden der Bekl. sehr kurzfristig benötigt, die daher mit H nach Tagen oder Wochen bemessene Liefertermine abstimmte, zu denen H die Ware per Luftexpreß versandte. Wiederholt kam es zu Schwierigkeiten bei der Abstimmung und Einhaltung der Lieferzeiten sowie bei der für die Kunden der Bekl. geforderten Qualität.
Die Preise - in US-Dollar - sowie ein regelmäßiger Nachlaß von 1 % beruhten auf Abstimmungen der Parteien. Die Rechnungen wurden mit dem Beleg des Paketdienstes über dessen Entgegennahme der Ware versehen.
Für die Bezahlung wurde der Bekl. ein Zahlungsziel von 90 Tagen gewährt. In Einzelfällen wurden Lieferungen mit Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinbart und durchgeführt. Bezüglich des Zahlungsziels hatte die Bekl. H am 11. 10. 1991 geschrieben: “Chinese must give us a credit line up to 500.000 US-Dollar. ... This business is done by all our competitors on 90 days credit terms."
Der Umsatz zwischen den Parteien entwickelte sich in den Jahren 1990-1992 positiv: 1990 ca. 478.000 DM; 1991 ca. 149.0000 und 1992 ca. 1.629.000.
Nachdem die Parteien wechselseitig Liquiditätsengpässe geltend gemacht hatten, waren am 9. 7. 1993 Beträge aus verschiedenen Rechnungen in Höhe von insgesamt 701999 US-Dollar offen. Im Hinblick auf die Frage, ob die Forderungen möglicherweise nicht der Kl., sondern A zustanden, hat A die erwähnten Rechnungsbeträge an die Kl. abgetreten.
Mit Order 20.086 vom 8. 7. 1993 bestellte die Bekl. 10.000 Einheiten à 2,20 US-Dollar. Der Betrag wurde in 2,27 US-Dollar berichtigt. Danach ergibt sich eine Auftragssumme von 22.700 US-Dollar abzgl. 1 % entsprechend 22.473 US-Dollar. Als die erbetene Bestätigung zunächst ausblieb, wurde am 12. 7. 1993 mit H telefoniert. Bei der Bekl. wurde danach notiert, daß er am nächsten Tag ein Fax schicken werde und daß sie sofort eine Überweisung ("TT”) aufgeben solle. Er werde dann mit Scheck nach China gehen, um Ware zu bestellen bzw. zu holen.
Mit hierauf bezugnehmendem Fax vom selben Tag bat ihn die Bekl. um faxschriftliche Bestätigung des Auftrags und der Vereinbarung, “that deliverytime will be made within 3-4 days after receipt of TT."
H schrieb mit Fax vom 13. 7. 1993: “As I told you on the phone we need payment for this order prior shipment. Upon receipt of the proceed I have been informed that shipment will be effected shortly i.e. a week. Plse proceed to T.T. immediatly not to delay yr customer." Mit weiterem Fax vom selben Tag erklärte H: “Re: order confirmation - Following our telephone I am pleased to confirm to you that: Yr order 20.086 will be shipped within a week after the receipt in my Bank of the proceeds of the value of my invoice to you for the same. - Re. due payment - Please do your best to include within this TT some payment of due invoices as I cant function anymore."
Noch am 13. 7. 1993 schrieb die Bekl. einen Zahlungsauftrag im Außenwirtschaftsverkehr über 22.473 US-Dollar zugunsten der Kl. mit dem Verwendungszweck “Payment as per fax July 13, 1993” und übermittelte ihr eine Kopie. Ebenfalls am selben Tage bestätigte die Bekl. ihrem Kunden seinen Auftrag vom 8. 7. 1993 über 10.000 Einheiten à 2,55 US-Dollar (entsprechend 25.500 US-Dollar).
Mit Fax vom 16. 7. 1993 mahnte die Bekl. bei H die dringende Lieferung an mit dem Hinweis: “Otherwise, also this customer will be lost."
Am 17. 7. 1993 informierte die chinesische Herstellerin per Fax H über drohende staatliche Eingriffe in ihr Unternehmen und drohende hohe Bestrafung ihrer Manager wegen eines unbeglichenen staatlichen Darlehens über 600.000 Hong Kong-Dollar. Weiter heißt es: “Therefore, I have to urgently ask you to do your utmost to pay me the due payments to save our company. Actually, you should remember that these payments are due before the end of last year. Unless we received at least 600.000 Hong Kong-Dollar of due payment, our company will be closed by the end of the month, and we'll also have ... problems personally ...". Der Betrag von 600.000 Hong Kong-Dollar entsprach nach übereinstimmenden Parteiangaben rd. 81.000 US-Dollar. ...
Mit einem weiteren Fax vom 19. 7. 1993 schrieb H der Kl.: “We acknowledge receipt and credit of yr TT only today due to validity date your bankers have put on this TT. So goods could be ready by 26th as agreed. ... But, I went yesterday all day long in China to find there a terrible situation ... The officials of the ministry were there ... ... verge to be put in jail within these days. So unless you are sending all back payment, we have had it with a real mess in our hand. ... Attached copy of news paper on this of yesterday."
Die Bekl. schrieb am 20. 7. 1993 an H: “(1) The TT-payment has been credited to you value July 16, 1993, therefore, it is not correct, if you say you have only received TT today. (2) You have promised delivery within 3-4 days. Therefore, please do not give us any more problems and make sure that goods will be dispatched latest on July 26, 1993 (and not 'goods could be ready')."
Anschließend führten die Parteien ihre wechselseitigen Standpunkte weiter aus, ohne daß noch geliefert oder gezahlt wurde.
Die Bekl. informierte am 5. 8. 1993 ihren Kunden, daß sie wegen der Schwierigkeiten in China nicht liefern könne, und berechnete der Kl. wegen des kompletten Verlusts der Geschäftsbeziehung mit debit note vom 9. 9. 1993 entgangenen Gewinn in Höhe von 5 % eines durchschnittlichen jährlichen Produktumsatzes von 980.000 US-Dollar, also 49.000 US-Dollar bzw. 75.755,58 DM. Die Bekl. belegte vorangehende Kundenaquisitionen. Sie verbuchte die Zahlung vom Juli 1993 auf die seit 6. und 9. 4. fälligen Rechnungen für order 20.082 vom Januar 1993 sowie die Schadensersatzforderung gegen die übrigen Lieferrechnungen.
H ließ sich von dem letzterwähnten Kunden der Bekl. am 21. 9. 1993 dessen fristgerechte Zahlungen an die Bekl. auf die Lieferungen aus den Aufträgen 20.082-20.085 bestätigen und am 8. 1. 1996 von der chinesischen Herstellerin versichern, ihr gegenüber keine Zahlungen versäumt zu haben.
Eine Zivilklage vor dem LG Hamburg in der vorliegenden Sache hat die Kl. auf die Schiedseinrede der Bekl. zurückgenommen. Daraus ist der Bekl. ein Kostenerstattungsanspruch von 1885 DM = 1327,47 US-Dollar erwachsen, mit dem sie ebenfalls aufgerechnet hat.
Mit der Zahlungsklage hat die Kl. nunmehr die Verurteilung der Bekl. begehrt, an sie 45398,53 US-Dollar nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
A. Anwendbares Recht
Das anwendbare Recht bestimmt sich aus Sicht des Forums nach deutschem internationalem Privatrecht (BGH-Urteil vom 21. 9. 1995 VII ZR 248/94, NJW 1996, 54, BB 1995, 2472). Nach diesem ist gem. Art. 27 EGBGB aus der Schiedsklausel mit der Vereinbarung eines deutschen Schiedsgerichts - hier des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg - auf die Wahl deutschen Rechts zu schließen (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 55. Aufl., Art. 27 Rd. 6 m. w. N.). Allerdings ist auf Kaufverträge zwischen Parteien in verschiedenen Staaten, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts - wie vorstehend - zur Geltung deutschen Rechts führen, das in Deutschland 1990/1991 in Kraft getretene UN-Kaufrecht (CISG) gemäß dessen Art. 1 Abs. 1 Bstb. b anzuwenden. Nach dieser Vorschrift genügt es, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats - hier Deutschland - führen; es kommt nicht darauf an, ob der Staat, in dem die andere Partei ihre Niederlassung hat, ebenfalls CISG-Vertragsstaat ist (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17. 9. 1993 2 U 1230/91, RIW 1993, 934; Herber in v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, 2. Aufl., Art. 1 Rd. 37-40; Martiny in MünchKomm, 2. Aufl., Art. 28 EGBGB Anh. II Rd. 27; insgesamt Nachw. bei Will, CISG - International Bibliography, The First 150 or so Decisions, 1995).
B. Hauptforderung
Die der Klage zugrunde liegende Hauptforderung der Kl. auf Kaufpreiszahlung gem. Art. 53 CISG in Höhe der am 9. 7. 1993 offenen ... Summe ... ist als solche inzwischen unstreitig ... Sie beträgt danach 45.398,53 US-Dollar.
C. Gegenforderung
Bei der Aufrechnungs-Gegenforderung der Bekl. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach Aufhebung der Vertragsbeziehungen ist zu unterscheiden zwischen dem darin enthaltenen Schaden wegen Nichterfüllung des Einzelvertrags order 20.086 (I) und dem darüber hinaus geltend gemachten Nichterfüllungsschaden aus dem Rahmenvertrag (II).
I. Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Einzelvertrags (order 20.086)
Die Aufrechnung der Bekl. mit Schadensersatz wegen Nichterfüllung der order 20.086 ist aus Art. 45 i.V. mit Art. 74 CISG in Höhe von 2800 US-Dollar begründet; dadurch verringert sich die Klageforderung von 45398,53 US-Dollar auf 42598,53 US-Dollar.
1. Nach Art. 45 Abs. 1 CISG kann die Käuferin (die Bekl.), soweit die Verkäuferin (die Kl.) eine ihrer Pflichten nicht erfüllt, u.a. die Vertragsaufhebung nach Art. 49 CISG erklären und Schadensersatz nach Art. 74 CISG verlangen. Gem. Art. 45 Abs. 2 können beide Rechte neben- bzw. nacheinander ausgeübt werden.
2. Gem. Art. 49 Abs. 1 Bstb. b CISG kann die Käuferin die Vertragsaufhebung erklären, wenn die Verkäuferin die Ware nicht innerhalb einer ihr nach Art. 47 Abs. 1 CISG gesetzten Nachfrist liefert oder wenn sie erklärt, daß sie nicht innerhalb der so gesetzten Frist liefern werde. Erst recht kann die Käuferin den Vertrag aufheben, wenn die Verkäuferin erklärt, daß sie überhaupt nicht liefern werde oder könne oder nur gegen zusätzliche Gegenleistung lieferbereit sei (Huber in v. Caemmerer/Schlechtriem, Art. 49 Rd. 6, 22). Um eine solche unberechtigte Erfüllungsverweigerung handelt es sich auch dann, wenn die Verkäuferin nach Abschluß eines Vorkassekaufvertrags und nach Vorkasseeingang - wie hier - ihre Lieferung von der Bezahlung rückständiger Forderungen aus früheren Lieferungen abhängig macht. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist eine Vorkassevereinbarung allgemein - auch im internationalen Verkehr (vgl. Art. 8 CISG) - bereits aus sich heraus dahin zu verstehen, daß die Leistung gegen Vorkasse ausgeführt werden soll, ohne daß rückständige Rechnungsbeträge aus anderen Leistungen zuvor auszugleichen sind (BGH-Urteil vom 18. 5. 1995 I ZR 151/93, MDR 1995, 1017, NJW 1995, 2917, RIW 1995, 776). Die - danach berechtigte - Erklärung der Vertragsaufhebung (order 20.086) durch die Bekl. ist darin zu sehen, daß sie nach Mitteilung an ihren Kunden, daß wegen der Schwierigkeiten in China nicht geliefert werden könne, gem. Art. 26 CISG der Kl. gegenüber die Beendigung der Geschäftsbeziehung zum Ausdruck brachte.
3. Wenn - wie hier - sowohl die Vertragsaufhebung erklärt als auch nach Art. 74ff. CISG Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt wird, entsteht ein einheitlicher Schadensersatzanspruch, der mit dem deutschen Schadensersatz wegen Nichterfüllung vergleichbar ist und die in Art. 81-84 CISG vorgesehenen Folgen der Vertragsaufhebung überlagert (Stoll in v. Caemmerer/Schlechtriem, Art. 74 Rd. 3).
4. Nach Art. 74 S. 1 CISG ist als Schadensersatz für die durch eine Partei begangene Vertragsverletzung der der anderen Partei infolge der Vertragsverletzung entstandene Verlust einschließlich des entgangenen Gewinns zu ersetzen, der hier anhand der Preisdifferenz gegenüber dem Weiterverkauf an den Kunden konkret ermittelt werden kann: 10.000 x (2,55 - 2,27) US-Dollar entsprechend 2.800 US-Dollar. Dabei läßt das Schiedsgericht im Schätzungswege einerseits den von der Kl. zusätzlich gewährten Preisnachlaß (discount) und andererseits die Transport- und Nebenkosten unberücksichtigt, die bei Durchführung des Geschäfts angefallen wären. Für die Schadensermittlung gilt nationales Recht einschließlich der in § 287 ZPO geregelten Schätzungsbefugnis des Gerichts (Herber/Czerwenka, CISG, Art. 74Rd. 13).
5. Das Schiedsgericht geht nach seiner freien Überzeugung gem. § 287 ZPO weiter davon aus, daß dieser Schadensersatz nicht den Verlust übersteigt, den die vertragsbrüchige Verkäuferin i.S. von Art. 74 S. 2 CISG bei Vertragsschluß vorausgesehen hat oder zumindest hätte voraussehen müssen, nachdem die Parteien Preisabstimmungen vorgesehen und wegen der Absatzsituation umfangreich korrespondiert hatten (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 23. 9. 1981 10 O 68/80, RIW 1981, 854 zu Art. 82 des Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen - Haager Kaufrecht - EKG).
6. Die vorstehende konkrete Schadensermittlung geht gegenüber einer abstrakten Berechnung nach Marktpreisen gem. Art. 76 CISG vor (vgl. Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 76 Rd. 14).
7. In Anbetracht der vereinbarten kurzen Lieferzeiten und der nicht substantiiert bestrittenen Schwierigkeiten, einen Ersatzlieferanten für eine anderweitige Eindeckung zu finden, und auch sonst ist ein Verstoß der Käuferin - Bekl. - gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung nach Art. 77 CISG nicht ersichtlich.
8. Insbesondere ist der Schadensersatzanspruch nicht nach Art. 79 CISG ausgeschlossen.
a) Gem. Art. 79 Abs. 1 CISG hat die Verkäuferin für die Nichterfüllung ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, daß die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflußbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und daß von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.
b) Daß die Vorlieferantin (die chinesische Herstellerin) ihre Betriebsfortführung und damit die Warenbeschaffung der Verkäuferin (der Kl.) nur unter der Bedingung einer sofortigen Bereitstellung erheblicher Liquidität (600.000 Hong Kong-Dollar bzw. rd. 81.000 US-Dollar) gewährleisten konnte, ist kein “Hinderungsgrund außerhalb des Einflußbereichs” der Verkäuferin (der Kl.), und zwar selbst dann nicht, wenn ihr Vortrag und das von ihr vorgelegte Affidavit zutreffen sollten, daß sie nicht mit Zahlungen entsprechender Größenordnung gegenüber der Herstellerin seit 1992 im Rückstand gewesen sei. - Dabei kann das Schiedsgericht offen lassen, wie einerseits das Faxschreiben und andererseits das Affidavit der chinesischen Herstellerin zusammen genommen zu würdigen sind, in welcher Bedeutung das verwendete englische Wort “due” im Fax zu verstehen ist (schuldig, fällig oder in Verzug) ...
aa) Zwar hat die Verkäuferin für die Herstellerin bzw. Vorlieferantin nicht im gleichen Umfang wie für Subunternehmer und eigenes Personal nach Art. 79 Abs. 2 CISG einzustehen (Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 5, 38; Herber/Czerwenka, CISG, Art. 79 Rdnrn. 3, 14, 19).
bb) Jedoch handelt es sich bei dem finanziellen Engpaß der Herstellerin und der nötigen Liquiditätsbereitstellung nicht um ein unbeherrschbares Risiko bzw. ganz außergewöhnliches Ereignis wie höhere Gewalt oder um einen Fall der wirtschaftlichen Unmöglichkeit oder des unzumutbaren Aufwands (vgl. Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 6, 17, 23 ff., 30, 39-40; Herber/Czerwenka, CISG, Art. 79 Rd. 8).
cc) Vielmehr trägt die Verkäuferin das Beschaffungsrisiko auch unter erschwerten Bedingungen. Dabei hat sie für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen, die zum typischen eigenen Verantwortungsbereich des Schuldners gehört (vgl. Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 9, 28, 30; Herber/Czerwenka, CISG, Art. 79, Rdn. 8‑9; Reimers-Zocher, Beweislastfragen im Haager und Wiener KaufR, 1995, S. 356 m.w. N.).
c) Mangels eines “Hinderungsgrunds außerhalb des Einflußbereichs” der Verkäuferin erübrigt sich die Entscheidung, ob von der Verkäuferin “vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder ihn zu überwinden." Von der Haftung für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit wird die Verkäuferin selbst dann nicht befreit, wenn ihr die benötigten Mittel durch nachträgliche, unvorhersehbare Ereignisse entzogen werden (Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 28 m.w. N.). Nichts anderes gilt für den Liquiditätsengpaß im Verhältnis zur chinesischen Vorlieferantin infolge deren Rückführung ihres staatlichen Kredits auf Druck der Regierung. Ebensowenig kommt es darauf an, ob oder inwieweit die Verkäuferin von der Nichtbezahlung der fälligen Forderungen gegen die Käuferin aus früheren Lieferungen überrascht wurde oder ob die - insoweit darlegungspflichtige - Verkäuferin ihrer Obliegenheit zur rechtzeitigen Erkundigung bei Vorbereitung des Vertragsschlusses nachgekommen ist (vgl. Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 20, 50ff.). Maßgebend bleibt die Risikoverteilung des Vertrags (Stoll in v. Cammerer/Schlechtriem, Art. 79 Rd. 7; Herber/Czerwenka, CISG, Art. 79, Rd. 9), die hier durch die Vorkassevereinbarung verdeutlicht wird (s.o. 2).
9. Wegen der Vorkassevereinbarung kann es auch für die Frage einer Verursachung der Nichterfüllung durch die Käuferin nach Art. 80 CISG nicht auf deren Zahlungsrückstand ankommen.
II. Weiterer Nichterfüllungsschaden aus dem Rahmenvertrag
Die von der Bekl. über den vorstehenden Schadensersatzanspruch hinaus geltend gemachte Gegenforderung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Rahmenvertrags ist nicht begründet.
1. Das Schiedsgericht läßt zunächst dahingestellt, ob es sich bei dem Agreement um einen Kaufvertrag i.S. des Art. 4 S. 1 CISG in der Gestalt eines Sukzessivlieferungsvertrags i.S. von Art. 73 Abs. 1 CISG handelt, der “aufeinander folgende Lieferungen von Schiedsgericht: Vorkasseklausel und wechselseitige Vertragsverletzung unter UN-Kaufrecht (NJW 1996, 3229) vorsieht” (vgl. Cour d'Appel Grenoble v. 22. 2. 1995 “SARL Bri Production Bonaventure c/Sté Pan African Export”, Recueil Dalloz Sirey {D. S.} 1995, Informations Rapides {IR}, 100). Um einen solchen Sukzessivlieferungsvertrag würde es sich handeln, wenn darin Einzellieferungen zusammen erfaßt würden und die Lieferpflicht für die Einzellieferungen geregelt würde, wenn auch nicht so konkret wie bei Teillieferungen i.S. des Art. 51 CISG, jedoch mit einer bestimmten Gesamtmenge (vgl. Leser in v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 73 Rd. 9 Fußn. 17 unter Hinweis auf das deutsche Recht). Insoweit wird auch von einem echten Sukzessivlieferungsvertrag bzw. Sukzessivlieferungsvertrag im engeren Sinne oder Ratenlieferungsvertrag gesprochen (Leser u. Westermann in MünchKomm, BGB, 2. Aufl., Vor § 275 Rd. 165 und Vor § 433 Rd. 39 f.).
Von dem (rein) kaufrechtlichen Sukzessivlieferungsvertrag sind Rahmenverträge - wie hier - zu unterscheiden, die ohne genau bestimmte mengenmäßige Verpflichtung eine längerfristige Zusammenarbeit einschließlich Alleinvertrieb oder Alleinbezug regeln und als Dauerschuldverhältnisse zu charakterisieren sind und daher im Fall von Leistungsstörungen sinnvollerweise nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben bzw. gekündigt werden können (vgl. Urteile des BGH vom 6. 2. 1985 VIII ZR 15/84, DB 1985, 1687, 1688 zu 2b-c), NJW 1986, 124; ferner vom 10. 12. 1986 VIII ZR 15/84, DB 1987, 881, EWiR 1987, 241 zum EKG m. Anm. Herber; des BFH vom 5. 10. 1989 IV R 126/85, BFHE 158, 404, BStBl II 1990, 155; Palandt/Heinrichs, BGB, Vor § 305 Rd. 26ff.; ferner Leser in MünchKomm, BGB, Vor § 275 Rd. 173; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., Vor § 323 Rd. 57, 58ff.; Staudinger/Köhler, BGB, 12. Aufl., Vor § 433 Rd. 14ff.). Teilweise werden im Schrifttum diese Sukzessivlieferungsverträge dann nach Art. 73 CISG beurteilt, wenn zumindest ein Bezug nach Bedarf - vgl. Art. 33 CISG - vereinbart ist (v. Scheven, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1984, S. 104ff.; Staudinger/Magnus, BGB, 13. Aufl., Art. 73 CISG Rd. 7).
2. Weiter läßt das Schiedsgericht offen, ob selbst dann, wenn Art. 73 CISG anwendbar ist, ein “triftiger Grund zu der Annahme, daß eine wesentliche Vertragsverletzung in bezug auf künftige Teillieferungen zu erwarten ist," gegeben war, der die Bekl. zur Erklärung der Aufhebung des Rahmenvertrags berechtigte. - Wie zu I 8b dargelegt ...
3. Fest steht für das Schiedsgericht, daß die Bekl. keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 45 Abs. 1 Bstb. b i.V.m. Art. 74 CISG wegen der Verletzung des Rahmenvertrags hat, selbst wenn wiederum unterstellt wird, daß dieser unter Art. 4 S. 1, Art. 73 CISG fällt. Nach Auffassung des Schiedsgerichts ist bereits der Schaden der Bekl. aus dem Abbruch der Geschäftsbeziehung mit der Kl. nicht i.S. von Art. 74 “infolge der Vertragsverletzung” der Kl. entstanden, weil für diese Zurechnung im Rahmen einer Gesamtwürdigung das beiderseitige Verhalten mit der Vertragsverletzung der Bekl. durch unberechtigte Zurückhaltung der Kaufpreiszahlungen zu berücksichtigen ist.
Dabei kann wiederum dahinstehen, inwieweit über die Verletzung der Vorkassevereinbarung bezüglich der order 20.086 hinaus eine Verletzung des Gesamtvertrags durch die Kl. vorliegt.
Beeinträchtigungen durch das Verhalten der Kl. wurden zum Zeitpunkt des Abbruchs der Geschäftsbeziehung seitens der Bekl. zumindest aufgewogen durch die wesentliche Verletzung der Pflicht der Bekl. zur Kaufpreiszahlung (Art. 25, Art. 53 CISG) auf die damals - z.T. bereits monatelang - fälligen Rechnungen. Im übrigen hätte deren Begleichung das seinerzeit im Vordergrund stehende Liquiditätsproblem auf der Liefererseite zum wesentlichen Teil gelöst und daher voraussichtlich die akut drohende Gefahr schwerster persönlicher Konsequenzen (Inhaftierung) für die Manager der Herstellerin nebst deren Existenzgefahr ausgeräumt. Inwieweit diese Probleme später - ausweislich des Affidavits - anderweitig gelöst und die Gefahren noch abgewendet werden konnten, ist demgegenüber für die Sicht zum Zeitpunkt des Abbruchs der Geschäftsbeziehung nicht maßgebend.
Für nicht tragfähig hält das Schiedsgericht das Argument der Bekl., die Kaufpreiszahlungen zur Risikoabsicherung zurückgehalten zu haben. Im Vergleich zu den Risiken der Kl. war das mit der Kaufpreiszahlung verbundene Risiko der Bekl. gering. Sie hatte die Ware erhalten und hatte im übrigen vor Ablauf des 90-Tage-Lieferantenkredits hinreichend Gelegenheit, die Ware zu prüfen und nötigenfalls Gewährleistungsrechte geltend zu machen, wie auch im Fall der Minderung geschehen.
4. Im übrigen ist das Schiedsgericht der Auffassung, daß die obige Schadenszurechnung nach Art. 74 CISG nicht anders beurteilt werden kann als im nationalen Recht, das mangels näherer supranationaler Erkenntnisse im Rahmen des Art. 7 CISG ergänzend herangezogen werden kann.
Nach deutschem bürgerlichen Recht kann zwar grundsätzlich bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund (nach den Rechtsgedanken der §§ 326, 626, 628 BGB) der durch die Kündigung (Nichterfüllung) entstandene Schaden geltend gemacht werden. Ohne daß es auf die Voraussetzungen dieses Anspruchs noch ankommt, entfällt dieser aber, wenn mangels eigener Vertragstreue - erst recht - die andere Vertragspartei zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war (vgl. BGH-Urteil vom 25. 5. 1988 VIII ZR 360/86, BB 1988, 2201, 2205 zu II, NJW-RR 1988, 1077; Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rd. 128). Es würde nämlich gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn man den Empfänger der Kündigung deshalb schlechter stellen wollte, weil er seinerseits bereit war, trotz des vertragswidrigen Verhaltens des Kündigenden am Vertrag festzuhalten (BGH-Urteil vom 11. 2. 1981, NJW 1981, 1264, 1265; ferner Staudinger/Otto, BGB, § 326 Rd. 186-187). Auf einen Wettlauf bei der wechselseitigen Erklärung kann es nicht ankommen. Das Prinzip von Treu und Glauben gilt als allgemeines Prinzip auch bei internationalen Sukzessivlieferungsverträgen (Herber, EWiR 1987, 241, 242).
5. Selbst wenn die vorstehenden Grundsätze nicht schon bei der Schadenszurechnung nach Art. 74 angewandt würden, wären sie spätestens bei der Prüfung der Schadensminderungs-Obliegenheit bzw. des Mitverschuldens oder der Mitverursachung nach Art. 77, Art. 80 CISG zu beachten.
6. Davon abgesehen würde eine - über den oben zuerkannten Ersatzanspruch für die Einzellieferung hinausgehende - Schadenshöhe eine entsprechende weitere Lieferbindung aus dem Rahmenvertrag voraussetzen. Auf die vereinbarte unbefristete Laufzeit bis zur gemeinsamen Aufhebung des Vertrags kann die Bekl. sich nicht stützen, weil diese Abrede nach Auffassung des Schiedsgerichts unter den Gesichtspunkten der guten Sitten und des vorerwähnten Prinzips von Treu und Glauben nach (Art. 7 CISG i.V. mit) §§ 138, 242 BGB unwirksam ist.
III. Minderung oder Schadensersatz wegen mangelhafter früherer Lieferungen
Rechte der Bekl. auf Minderung oder Schadensersatz wegen mangelhafter früherer Lieferungen der Kl. - über die inzwischen unstreitige Minderung (Art. 50 CISG) bei Order 20.083 invoice 316/93 hinaus - sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Vorsorglich weist das Schiedsgericht auf die Verjährung derartiger Forderungen hin.
Etwaige Mängel hätten nach rechtzeitiger Untersuchung der Ware (Art. 38 CISG) binnen angemessener Frist gem. Art. 39 Abs. 1 CISG in der dort vorgesehenen Form gerügt werden müssen (vgl. Urteile des BGH vom 15. 2. 1995 VIII ZR 18/94, NJW 1995, 2101, EWiR 1995, 451 mit Anm. Schlechtriem; LG Frankfurt a.M. vom 13. 7. 1994 3/13 O 3/94, NJW-RR 1994, 1264, rkr. durch Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 23. 5. 1995 5 U 209/94, NJW-RR 1995, 1216)).
Spätestens wären eventuelle Mängelrügen jedoch gem. Art. 39 Abs. 2 CISG nach mehr als zwei Jahren seit Übergabe der Ware ausgeschlossen.
Soweit seinerzeit möglicherweise Mängel gerügt wurden, wären diesbezügliche Ansprüche wegen Vertragswidrigkeit der Ware gem. Art. 3 des deutschen CISG-Zustimmungsgesetzes entsprechend den Fristen der §§ 477, 478 BGB binnen sechs Monaten nach seinerzeitiger Mängelrüge oder bis zur jeweiligen Kaufpreiszahlung geltend zu machen gewesen. Mängelanzeigen bezüglich der - danach allein noch interessierenden unbezahlten Lieferungen sind jedoch (über die vorerwähnte Minderung hinaus) nicht ersichtlich.
IV. Nachträgliches Vorbringen
Die nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten (nebst Anlagen) sind als verspätet zu behandeln. Der Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist abzulehnen. Im Schiedsverfahren kann eine Partei nur dann geltend machen, daß sie sich nicht rechtzeitig habe äußern können, wenn sie hierfür besondere Umstände vorträgt (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 16 Rd. 25). Für derartige Umstände bestehen hier keine Anhaltspunkte. ...
D. Zinsforderung
Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung der Kaufpreisforderungen folgt aus Art. 78 CISG. Hinsichtlich der Höhe gilt mangels näherer Regelung im CISG sinngemäß dessen Art. 7 Abs. 2 ergänzend nationales Recht (LG Oldenburg, Urteil vom 9. 11. 1994 12 O 674/93, RIW 1996, 65; Eberstein/Bacher in von Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 78 Rd. 26), hier der gesetzliche Zinssatz für das beiderseitige Handelsgeschäft nach § 352 HGB.
E. Fremdwährungs-Ersetzungsbefugnis
Ein Ausspruch über die Fremdwährungs-Ersetzungsbefugnis ist nicht beantragt worden und ist mangels besonderer Verhältnisse auch nicht erforderlich (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17. 9. 1993 2 U 1230/91, RIW 1993, 934; Palandt/Heinrichs, BGB, § 245 Rd. 16).
F. Kostenentscheidung
Dem Schluß-Schiedsspruch bleibt die Entscheidung über die Fragen der Verteilung bzw. Erstattung der schiedsgerichtlichen und außergerichtlichen kosten vorbehalten. Dabei kann das Schiedsgericht auch über den Umfang seiner diesbezüglichen prozeßrechtlichen Entscheidungskompetenz oder über eine Kostenerstattung unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens befinden.
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Gericht Aktenzeichen Datum Az der Vorinstanz Stichworte
Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg 21.06.1996 Erstattung außergerichtlicher Kosten
Tatbestand:
Streitig ist die Verteilung und Erstattung der im bisherigen schiedsgerichtlichen Verfahren zur Hauptsache (Teil-Schiedsspruch vom 21. 3. 1996, NJW 1996, 3229, RIW 1996, 766) angefallenen Schiedsgerichtskosten und insbesondere der den Parteien entstandenen außergerichtlichen Kosten (Rechtsanwaltskosten).
Die Kl. ist eine Gesellschaft in Hong Kong ohne Niederlassung in Deutschland. Die Bekl. ist eine Gesellschaft in Hamburg. Die Geschäftsführer der Parteien halten sich jeweils an deren Sitz auf. Beide Parteien betätigen sich im Außenhandel. Sie haben keine eigenen Rechtsabteilungen oder juristischen Mitarbeiter.
Den Geschäftsbeziehungen liegen Rahmenverträge von 1991 bzw. 1992 über die alleinige Belieferung der Bekl. mit bestimmten Produkten aus der Volksrepublik China durch die Kl. bzw. eine mit ihr wirtschaftlich verbundene Gesellschaft zugrunde. Danach waren letztere für das Verhältnis zur Herstellerseite in China und die Bekl. für den Vertrieb in Europa und anderen Ländern zuständig.
Für den Fall von Streitigkeiten war folgende Regelung vorgesehen (Agreement Nr. 10 S. 2-3): “If any disputes raise from this agreement both parties will try their best to solve their differences amicably. If this was not possible both parties recognize the Chamber of Commerce of Hamburg to be the final arbitrator."
Das Verfahren vor dem Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg richtet sich nach dessen Regulativ ... Das Regulativ regelt  ... die Kosten des Schiedsgerichts und ... die diesbezügliche Vorschußpflicht der Klägerseite. Im übrigen heißt es ...: “Das Schiedsgericht regelt das Verfahren nach eigenem Ermessen aufgrund der Vorschriften des 10. Buches der Zivilprozeßordnung."  ...
In dieser Schiedsgerichtssache werden beide Parteien von jeweils einer hiesigen Anwaltssozietät vertreten. Dabei werden die Hamburger Klägeranwälte über einen in Paris ansässigen Anwalt der Kl. im Korrespondenzwege instruiert. Beide Parteien haben Volljuristen als Schiedsrichter ernannt. Auch der Vorsitzende des Schiedsgerichts ist Volljurist. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache wurden anwaltliche Klageschrift, Klageerwiderung und weitere Schriftsätze ausgetauscht sowie schiedsgerichtliche Hinweise erteilt, insbesondere zu Fragen des internationalen Privatrechts einschließlich des Wiener UN-Kaufrechts (CISG).
Die Höhe der Streitwerte ist unstreitig. Die Kl. hat Schiedsgerichtskosten von insgesamt 4.848,20 DM vorgeschossen. Bei der Abfrage der üblicherweise von der Handelskammer vorgelegten “Checkliste für das Schiedsgerichtsverfahren” haben die Parteien sich u.a. damit einverstanden erklärt, „daß das Schiedsgericht über die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens in entsprechender Anwendung der §§ ZPO § 91ff. ZPO befinden soll”. Durchgestrichen hat die Beklagtenseite dagegen den nachfolgenden Halbsatz, “daß das Schiedsgericht auch über die außergerichtlichen Kosten entscheiden soll”. Die Bekl. hat dabei ausdrücklich erklärt, daß sie mit einer Entscheidung des Schiedsgerichts über die außergerichtlichen Kosten nicht einverstanden ist. Für den Fall, daß das Schiedsgericht seine Kompetenz für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bejaht, haben die Parteien sich damit einverstanden erklärt, daß die Honorierung der Prozeßbevollmächtigten nach Maßgabe der erstinstanzlichen Gebühren der BRAGO erfolgen soll.
Das Schiedsgericht hat über die Hauptsache durch Teil-Schiedsspruch vom 21.3.1996 entschieden ... (NJW 1996, 3229, RIW 1996, 766). Das Schiedsgericht hat die Kostenentscheidung dem Schluß-Schiedsspruch vorbehalten.
Aus dem Teil-Schiedsspruch geht hervor, daß die Kl. die Bekl. vor 1993 zur Bezahlung der rückständigen Kaufpreisforderungen aufgefordert hat ...
Gemäß Kostenausgleichungsantrag ...  begehrt die Kl. anteilige Erstattung der von ihr verauslagten Kosten des Schiedsgerichts, des Honorars ihrer Prozeßbevollmächtigten (10/10 Prozeß- und Verhandlungsgebühren nebst Auslagenpauschale) und ihres ausländischen Korrespondenzanwalts (deutsche 10/10 Verkehrsanwaltsgebühr nebst Auslagenpauschale) sowie Zinsen auf den Erstattungsbetrag ab Antragstellung. Die Bekl., die sich gegen eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten verwahrt, spezifiziert ihre außergerichtlichen Kosten in Form des Honorars ihrer hiesigen Prozeßbevollmächtigten ebenfalls mit den 10/10 Prozeß- und Verhandlungsgebühren nebst Auslagenpauschale.
Entscheidungsgründe:
A. Anwendbares Recht
Wie bereits im Teil-Schiedsspruch (NJW 1996, 3229, RIW 1996, 766, dort zu A) ausgeführt, ist im Streitfall deutsches Recht einschließlich des Wiener UN-Kaufrechts (CISG) anzuwenden.
B. Schiedsgerichtskosten
Die von der Kl. vorgeschossenen Schiedsgerichtskosten sind entsprechend §§ ZPO § 92, ZPO § 106 ZPO im Verhältnis des Obsiegens zu teilen und von der Bekl. zu erstatten. In der mündlichen Verhandlung vom 13. 2. 1996 haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß das Schiedsgericht über die Verteilung seiner Verfahrenskosten in entsprechender Anwendung der §§ 91ff. ZPO befinden soll.  ...
C. Außergerichtliche Kosten
Zu Recht verlangt die Kl. von der Bekl. auch eine anteilige Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten (Anwaltskosten) im Verhältnis des Obsiegens.
I. Zuständigkeit des Schiedsgerichts
Soweit die Bekl. die Kompetenz des Schiedsgerichts für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und über seine diesbezügliche Zuständigkeit rügt, bleibt davon gem. § 1037 ZPO die Befugnis bzw. Verpflichtung des Schiedsgerichts unberührt, seine sachliche Zuständigkeit selbst zu prüfen und im Rahmen der Bejahung seiner Kompetenz über die anstehenden Streitfragen durch Schiedsspruch zu befinden; ohnehin entscheidet es insoweit nur unter dem gesetzlichen Vorbehalt des staatlichen Aufhebungs- und Vollstreckbarkeitsverfahrens nach §§ 1041 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 1042 ZPO (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 12 III Rd. 8, 9). Im einzelnen ergibt sich die Kompetenz des Schiedsgerichts aus den jeweils in seine Zuständigkeit fallenden, nachstehend behandelten Streitfragen.
II. Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach
Das Schiedsgericht bejaht die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach prozeßrechtlich im Wege der Nebenentscheidung über die Kosten (1) und hilfsweise materiellrechtlich als Verzugsschaden-Nebenforderung (2).
1. Erstattung im Wege der Kostenentscheidung
Die Kompetenz des Schiedsgerichts zur prozeßrechtlichen Entscheidung über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus ergänzender Auslegung der schiedsvertraglichen Vereinbarungen.
a) Zutreffend macht die Bekl. geltend, daß die Schiedsparteien die Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht ausdrücklich vereinbart haben und daß das Regulativ des von den Parteien gewählten Schiedsgerichts der Handelskammer hierüber (in der bisherigen Fassung noch) keine spezielle Bestimmung vorsieht. Soweit dem Schiedsgericht in § 4 des Regulativs freigestellt ist, sein Verfahren nach eigenem Ermessen aufgrund der Vorschriften des 10. Buchs der ZPO zu regeln, bleibt der Vorrang einer eventuellen gesetzlichen Regelung oder einer ergänzenden Vertragsauslegung unberührt.
b) Gemäß bisherigem Stand der Vorschriften über das schiedsrichterliche Verfahren im 10. Buch der ZPO ist dort die Frage der Kostenerstattung im Schiedsprozeß nicht dispositiv geregelt. Nach dem von der UNCITRAL(United Nations Commission on International Trade Law) vorgelegten Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit hat eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte “Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts” in 1994 einen “Bericht mit einem Diskussionsentwurf zur Neufassung des Zehnten Buches der ZPO” veröffentlicht. Nach diesem Entwurf sowie einem daran orientierten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts ist in § 1057 ZPO Abs. 1 ZPO n.F. eine Entscheidung des Schiedsgerichts über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten für den Fall vorgesehen, daß die Schiedsparteien nichts anderes vereinbart haben (BR-Dr 211/96). Die Neufassung ist zwar auf einhellige Zustimmung gestoßen (vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, BB 1996, Beil. 5, S. 2, 3; Schmidt-Syaßen, DRiZ 1994, 359, 360), befindet sich jedoch noch im Gesetzgebungsverfahren.
c) Das Schiedsgericht kann dahinstehen lassen, ob im Streitfall ein die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ablehnender Schiedsspruch im Sinne der zwingenden Vorschrift des § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (§ 1059 ZPO n.F.) mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre (Vorbehalt des ordre-public). Immerhin hat das Schiedsgericht aus der Sicht des durch § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (§ 1059 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. b ZPO n.F.) in bezug genommenen deutschen Rechts den hohen Gerechtigkeitsgehalt der §§ 91ff. ZPO zu beachten. In der Literatur wird darüber hinaus z.T. vertreten, daß ohne besondere Parteivereinbarung von den §§ 91ff. ZPO nur aufgrund überragender Gründe des Einzelfalls oder nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe (Schwytz, BB 1974, 673, 675; Glossner/Bredow/Bühler, Das Schiedsgericht in der Praxis, 3. Aufl., Rdnr. 483; Maier, Hdb. Schiedsgerichtsbarkeit, Rd. 503, 508) bzw. daß eine Entscheidung “unerträglich” erscheine, nach der Kosten von einer zu Unrecht verklagten Partei oder von einem Gläubiger zu tragen seien, dessen Schuldner erst nach einem schiedsgerichtlichen Verfahren leiste (Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S. 73).
Das Schiedsgericht braucht nicht zu entscheiden, inwieweit es diesen Auffassungen folgt, da es im Streitfall bereits mittels ergänzender Vertragsauslegung zu einer entsprechenden Anwendung der zivilprozessualen Erstattungsregelungen kommt. Bei dieser Verfahrensweise kommt ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung i.S. des § ZPO § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (§ 1059 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. b ZPO n.F.) nicht in Betracht (Kühl, Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel, S. 81; Schütze/Tscherning/Wais, Hdb. d. Schiedsverfahrens, 2. Aufl., Rdnr. 113).
d) Das Schiedsgericht kann weiter offenlassen, inwieweit die prozessuale Kostenentscheidung durch hiesige Handelsbräuche i.S. von § 346 HGB beeinflußt werden könnte, die ggf. bei der materiellen Beurteilung der Handelsgeschäfte nach Art. CISG Artikel 9 CISG zu berücksichtigen wären.
aa) Ein Handelsbrauch kann unabhängig davon bestehen, ob oder inwieweit die beteiligten Verkehrskreise die interessierende Frage ausdrücklich regeln (BGH-Urteil vom 25. 11. 1993 VII ZR 17/93, MDR 1994, 358, NJW 1994, 659). Mithin kommt es nicht darauf an, daß oder wie oft Kaufleute in ihren Schiedsabreden die Erstattung außergerichtlicher Kosten schriftlich regeln (z.B. in Schiedsklausel bzw. Schiedsvertrag oder im späteren Schiedsprozeß gemäß “Checkliste für Schiedsverfahren”).
bb) Einerseits ist in mehreren Hamburger Schiedssprüchen dahin erkannt worden, daß außergerichtliche Kosten nach hiesiger Usance, Übung oder Üblichkeit nicht oder nur auf gemeinsamen Antrag beider Parteien erstattet werden (vgl. Schiedsgericht nach den Bedingungen des Eiprodukten-Einfuhrverbands, Schiedsspruch v. 23. 1. 1959; Handelskammer Hamburg, Rechtsprechung kaufmännischer Schiedsgerichte {RKS} B 5 Nr. 5); überwiegend handelt es sich dabei um Schiedssprüche der “Hamburger freundschaftlichen Arbitrage” nach § 20 der “Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel” (vgl. Schiedssprüche vom 6. 12. 1978, RKS B 5 Hinweis; vom 3. 2. 1972, RKS B 5 Nr. 4; vom 3. 6. 1965, RKS B 5 Nr. 1; vom 14. 3. 1960, RKS B 5 Nr. 6).
cc) Andererseits hat ein Schiedsgericht der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage das zivilprozessuale Kostenerstattungsrecht mit der Begründung “wie allgemein üblich” angewandt (Schiedsspruch vom 18. 11. 1988, RKS B 5 Nr. 17).
dd) Das erkennende Schiedsgericht macht sich dagegen die aufgrund einer Umfrage neueren Datums getroffenen Feststellungen des Schiedsgerichts der Hamburger freundschaftlichen Arbitragezu eigen, daß zur (Nicht-)Erstattung der im Schiedsprozeß erwachsenen außergerichtlichen Kosten kein Handelsbrauch besteht. Die Frage nach einer Erstattung ohne besondere Vereinbarung wurde zu 55 % bejaht und zu 45 % verneint; mithin fehlt trotz Mehrheit die für einen Handelsbrauch geforderte einheitliche Überzeugung und Übung fast aller Marktteilnehmer (Schiedsspruch vom 6. 1. 1992, RKS B 5 Nr. 20; vgl. BGH-Urteil vom 25. 11. 1993 VII ZR 17/93, MDR 1994, 358, NJW 1994, 659 ). Das erkennende Schiedsgericht hält dieses Umfrageergebnis wegen der Zeitnähe noch für aktuell und geht davon aus, daß von einer Wiederholung keine besseren Erkenntnisse zu erwarten sind. Ohne Handelsbrauch stellt sich die Frage seiner Berücksichtigung bei der Kostenentscheidung nicht mehr.
e) Entgegen dem letztgenannten Schiedsspruch ist in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung oder eines Handelsbrauchs jedoch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht generell abzulehnen, sondern vielmehr im Einzelfall eine ergänzende Auslegung der getroffenen Schiedsvereinbarung in Betracht zu ziehen (vgl. Urteile OLG Düsseldorf vom 8. 1. 1981 2 U 57/80, ZIP 1981, 172; LG Hamburg vom 27. 9. 1994 11 S 69/74, MDR 1975, 143; Zöller/Geimer, ZPO, 19. Aufl., § 1034 Rd. 29 m.w. N.; ferner Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 1042 Rdnr. 26, z.T. entgegen Voraufl. Vor § 1025 Rdnr. 34). Eine dahingehende Auslegung ist unabhängig vom Bestand des eigentlichen Schiedsvertrags möglich (vgl. BGH-Urteil vom 23. 11. 1972 VII ZR 178/71, NJW 1973, 191). Sie ist auch unter der Geltung ausländischer Prozeßordnungen bekannt (vgl. Zürcher Obergericht vom 23. 8. 1945, Schweizerische Juristen-Zeitung {SJZ} 1946, Bd. 42 Nr. 72, S. 186 ,187); Baumgartner, Kosten des Schiedsprozesses, S. 86f.).
aa) Es kann wie im Teil-Schiedsspruch dahinstehen, inwieweit die rahmenvertraglichen Vereinbarungen mit der darin enthaltenen Schiedsabrede gemäß CISG oder gemäß BGB zu beurteilen sind. Sowohl nach Art. 8 CISG als auch nach § BGB § 157 BGB sind Verträge unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte auszulegen. Im Fall einer Lücke der ausdrücklichen Vereinbarungen ist ergänzend der hypothetische Parteiwille (§ 157 BGB) oder die Auffassung vernünftiger Geschäftspartner (Art. 8 CISG) durch Interessenabwägung zu ermitteln (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 27. 9. 1974 11 S 69/74, MDR 1975, 143; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 157 Rd. 2ff.; Herber/Czerwenka, CISG, Art. CISG Artikel 8 Rdnr. 6).
bb) Um eine solche Regelungslücke handelt es sich hier. Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein “qualifiziertes” Schweigen der Schiedsklausel etwa mit dem Ziel einer unterschiedlichen Verteilung der Schiedsgerichtskosten einerseits und der außergerichtlichen Kosten andererseits. Nach dem festgestellten Ablauf der Geschäftsbeziehungen der Parteien ist davon auszugehen, daß diese sich seinerzeit mit derartigen Detailfragen einer Prozeßführung nicht näher befaßt haben. Dagegen kommt es nicht auf die einseitig gebliebenen Erklärungen der Bekl. nach Klageerhebung an, als sich ihr Interesse möglicherweise auf die Begrenzung für sie denkbarer ungünstiger Folgen richtete.
cc) Nach Auffassung des Schiedsgerichts erübrigt sich die ergänzende Auslegung nicht - wie bereits erwähnt - durch die Bestimmung ... seines Regulativs, gemäß der das Schiedsgerichtsein Verfahren nach eigenem Ermessen aufgrund der Vorschriften des 10. Buchs der ZPO regelt. Ausgehend von dieser Bestimmung sieht das Schiedsgericht die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten nicht in sein Belieben gestellt, sondern einen Auftrag zur Rechtsentscheidung in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, einschließlich einer gebotenen ergänzenden Auslegung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 1034 Rd. 29).
dd) Raum für den vom erkennenden Schiedsgericht eingeschlagenen Weg der ergänzenden Auslegung gewährt auch die verbreitete Meinung, die es den Schiedsgerichten freistellt, mangels ausdrücklicher Vereinbarung die Grundsätze der §§ 91ff. ZPO anzuwenden oder hiervon abzuweichen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Al­bers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 1040 Rd. 3; Henn, Schiedsverfahrensrecht, S. 199f., 205; Röhl, in Luchterhand Alternativkommentar BGB, § 1034 Rd. 15), sei es auch mit der Empfehlung, im allgemeinen von §§ ZPO § 91ff. ZPO auszugehen (Zöller/Geimer, ZPO, § 1034 Rd. 67; vgl. Schwab/Walter, Kap. 33 Rd. 1; i.ü. vgl. oben c m.w.N.), oder unter Hinweis auf pflichtgemäßes Ermessen (vgl. - zur Erstattung der Schiedsgerichtskosten - Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbands, Schiedssprüche vom 27. 7. 1978, RKS B 5 Nr. 10; vom 14. 2./3. 3. 1976, RKS B 5 Nr. 8). Entsprechendes gilt für die Zukunft nach Inkrafttreten von § 1057 ZPO n.F.; gem. Abs. 1 S. 2 der jetzigen Entwurfsfassung verteilt das Schiedsgericht die außergerichtlichen Kosten “nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Ausgangs des Verfahrens”.
ee) Bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bzw. der Auffassung vernünftiger Geschäftspartner ist darauf abzustellen, welche Lösung bei angemessener Abwägung der wechselseitigen Interessen voraussichtlich vereinbart worden wäre, wenn die Regelungslücke gesehen worden wäre (vgl. Nachw. zu aa).
ff) Dabei können Art und Inhalt des Schiedsverfahrens von Bedeutung sein.
aaa) So ist eine Erstattung von Anwaltskosten möglicherweise in vergleichsweise weniger juristisch geprägten Schiedsverfahren nicht geboten, z.B. bei Qualitätsarbitrage bzw. Schiedsgutachten (LG Hamburg, Urteil vom 27. 9. 1974 11 S 69/74, MDR 1975, 143; ferner Schlosser in Stein/Jonas/Vor § 1025 Rd. 34), bei nicht juristisch besetzten Schiedsgerichten (Zöller/Geimer, ZPO, § 1034 Rd. 29), bei Beschränkung auf eine im Verein oder Verband behandelte Materie oder auf Bagatellfälle oder bei dem erkennbaren Bestreben, ein möglichst einfaches und billiges Verfahren ohne Anwaltsbedarf durchzuführen (Zürcher Obergericht vom 23. 8. 1945, SJZ 1946, Bd. 42 Nr. 72, S. 186 f; Schiedsgericht der Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf, Schiedsspruch vom 9. 6. 1978, RKS B 5 Nr. 9; Baumgartner, Kosten des Schiedsprozesses, S. 87). Alle diese Umstände liegen im Streitfall nicht vor.
bbb) Umgekehrt kann nach Vorstehendem für eine Anwaltskostenerstattung sprechen, daß es sich um ein ausschließlich mit Juristen besetztes Schiedsgericht handelt und daß dieses über schwierige Rechtsfragen und wertmäßig bedeutende Ansprüche zu entscheiden hat. So liegt der Fall hier. Neben dem von der Handelskammer ernannten Vorsitzenden haben auch beide Parteien jeweils einen Juristen als Schiedsrichter gewählt. Zu entscheiden war über eine Reihe ungeklärter Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Anwendung des Wiener UN-Kaufrechts (CISG). Der Streitwert betrug bis zu 143290,82 DM. Zwar weist die Bekl. zutreffend auf die kaufmännische Tradition des Schiedsgerichts einschließlich der fallweisen Benennung von Kaufleuten zu Schiedsrichtern hin. Dieser Gesichtspunkt tritt jedoch im Streitfall gegenüber den zuvor erwähnten Umständen zurück, insbesondere gegenüber der Übereinstimmung beider Parteien hinsichtlich der Wahl von Juristen zu Schiedsrichtern.
gg) Bezogen auf diese Umstände folgt das Schiedsgericht der Auffassung, die eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten ohne besondere Vereinbarung damit begründet, daß einer Partei grundsätzlich die Einlassung auf ein Schiedsverfahren ohne Anwalt nicht zumutbar ist (vgl. BGH, WM 1969, WM Jahr 1969 Seite 74; Maier, in: MünchKomm-ZPO, § MÜNCHKOMM-ZPO § 1040 Rdnr. 12; Raeschke-Kessler/Berger/Lehne, Recht u. Praxis d. Schiedsverfahrens, 2. Aufl., Rdnrn. 469, 474, 477), und zwar ausdrücklich entgegen “einer gewissen Anwaltsfeindlichkeit” spezieller (o. zu C II 1d bb und dd zitierter) Hamburger Praxis (Maier, Hdb. d. Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnrn. 503, 511). Auf diese - zu C II 1e ff bbb beschriebenen - Fälle dürfte im übrigen die Beobachtung zutreffen, daß in der Praxis kaum auf eine juristische Vertretung verzichtet wird (vgl. Schwytz, BB 1974, BB Jahr 1974 Seite 673). Das Ergebnis deckt sich im Streitfall mit der - vorerwähnten - tatsächlichen Anwaltsbeauftragung durch beide Parteien, auch durch die ortsansässige Bekl. Zwar steht ihr hier der Zugang zu den Rechtsquellen offen, jedoch verfügt sie ebensowenig wie die Kl. über eine eigene Rechtsabteilung bzw. einen juristischen Mitarbeiter.
hh) Im Außenhandel müssen zudem beide Parteien bei der Vereinbarung eines Schiedsverfahrens davon ausgehen, daß dieses von der ausländischen Partei - wie hier von der Kl. - schon wegen der Entfernung nur mittels anwaltlicher Hilfe im Inland betrieben werden kann.
ii) Im übrigen kann bei der ergänzenden Auslegung der Schiedsklausel das am Ort bzw. im Land des Schiedsgerichts geltende Prozeßrecht (Sitzrecht) herangezogen oder auf die Zugehörigkeit zu einem supranationalen Rechtskreis abgestellt werden (vgl. Baumgartner, Kosten des Schiedsprozesses,S. 86, 90; Zöller/Geimer, § ZÖLLER/Geimer § 1034 Rdnr. 29). Einerseits kann berücksichtigt werden, daß im Ausland nicht überall der Grundsatz der Kostenverteilung nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens gilt (vgl. Schwab/Walter, Kap. 33 Rdnr. 1). Andererseits kann gerade die Erstattung der außergerichtlichen Kosten im Schiedsverfahren ein Grund sein für die Wahl eines Schiedsgerichts mit entsprechenden Verfahrensmöglichkeiten gemäß Vereinbarung, Statut oder Sitzrecht (Krause/Bozenhardt, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 49; rechtsvergleichend Kühl, Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel, S. 195).
aaa) Die entsprechende deutsche Regelung ergibt sich - wie bereits erwähnt - aus §§ ZPO § 91ff. ZPO. Gegen eine Anwaltskostenerstattung spricht nicht der Umstand, daß diese nach den Statuten einzelner hiesiger Schiedsgerichte - falls nichts anderes vereinbart wird - ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. Schiedsgerichtsordnungen des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. und des Deutschen Kaffee-Verbands e.V.). Auf der anderen Seite werden hier nämlich gleichfalls spezielle Schiedsgerichtsordnungen angewandt, die die Anwaltskostenerstattung vorsehen (z.B. Schiedsgerichtsordnung der German Maritime Arbitration Association (GMMA), vgl. Trappe, in: Festschr. f. Glossner, 1994, S. 459 (461, 470); ders., International Business Lawyer, 1986, S. 12; i.ü. zusammenfassend ders., in: Böckstiegel, Handelsschiedsgerichtsbarkeit in England u. Deutschland, S. 77ff.). Insbesondere ist eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten in der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) geregelt (§ 22). Dieses Statut kann in Deutschland auch als generelles Muster angesehen werden, soweit ein solches für die ergänzende Auslegung herangezogen werden soll (vgl. Junge, in: v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, 2. Aufl., Art. 8 Rdnr. 3).
bbb) Da eine Vertragspartei im Ausland ansässig ist, kann bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, daß auch an ausländischen Schiedsplätzen weitenteils eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten in Betracht kommt.
So in westlichen oder neutralen Ländern wie z.B. Frankreich (Kühl, Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel, S. 159f.), in den Niederlanden (Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 431), in Österreich - Wien - (Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 175), in Schweden -Stockholm - (Lionnet,Hdb. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 323) und in der Schweiz - Zürich - (Baumgartner, Kosten des Schiedsprozesses, S. 85; Krause/Bozenhardt,S. 177, 190).
Nicht einschlägig ist dagegen für den Sitz der Kl. die gegenteilige Praxis von Schiedsgerichten der früheren sozialistischen Länder des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe bzw. Council for Mutual Economic Assistance (RGW), - COMECON - (vgl. Strohbach, Hdb. d. internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, Rd. 275) oder innerhalb der USA, wo die Erschwerung des Zugangs zum Gericht bei Nichterstattung von Anwaltskosten jedoch in gewisser Weise durch die Erfolgshonorarvereinbarung aufgewogen wird (vgl. Kühl, Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel, S. 120, 185). Davon abgesehen wenden dortige Schiedsgerichte im internationalen Verkehr zunehmend Erstattungsregelungen an (vgl. Bühler, ZVglRWiss 1988, S. 431, 441, 443); Bulow, Journal of International Arbitration 1995, 87, 91).
Vielmehr ist die in der bisherigen Kronkolonie Hong Kong ansässige Kl. eher dem englischen Rechtskreis zuzurechnen, wo beim staatlichen und beim Schiedsgericht der Grundsatz gilt, daß die Verteilung der - gerichtlichen und außergerichtlichen - Kosten dem Ausgang des Verfahrens folgt ("the costs follow the event”, vgl. Benkö, Schiedsverfahren u. Vollstreckung von Schiedssprüchen in England, S. 127; Bühler, ZVglRWiss 1988, 431, 443 Fn. 47; Kühl, Schiedsgerichtsbarkeit im Seehandel, S. 39; Kühn in Böckstiegel, S. 101 (103); Lionnet, Hdb. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 317). Selbst bei Berücksichtigung der Nähe und politischen Entwicklung Hong Kongs zur Volksrepublik China ergibt sich keine gegenteilige Beurteilung; dort werden die außergerichtlichen Kosten von Schiedsverfahren in einem bestimmten Verhältnis verteilt (vgl. Trappe, RIW 1989, 107 (112); ders., Arbitration International 1989, 173 (185)).
ccc) Die vorstehenden Ergebnisse decken sich mit supranationalen Schiedsgerichts-Verfahrensordnungen, sofern diese ebenfalls für eine ergänzende Auslegung der Schiedsklausel als Muster herangezogen werden (vgl. Junge in v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 8 Rdnr. 3). Es wurde bereits - zu b - darauf hingewiesen, daß das UNCITRAL-Modellgesetz Raum für eine Verteilung der außergerichtlichen Kosten läßt (Art. 40 Abs. 2; vgl. Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 256; Krause/Bozenhardt, S. 100, 119; Lionnet, Hdb. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 328). Weltweit gebräuchlich sind die institutionellen Schiedsverfahrensordnungen der Internationalen Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce (ICC)) und deren Internationaler Organisation für Seeschiedsgerichtsbarkeit (Comite Maritime International {ICC-CMI}), die beide eine Entscheidung des Schiedsgerichts über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten ermöglichen (ICC Art. 20 und ICC-CMI Art. 12; vgl. ICC-Schiedssprüche vom 30. 5. 1979 Nrn. 2099-3100, zusammengefaßt bei Jarvin/Derains, Collection of ICC Arbitral Awards, m.w. Nachw.; von 1986 Nrn. 5056, 5279; v. 1987 Nrn. 5255, 5318, 5418, 5558, zusammengefaßt und besprochen bei Bühler, ZVglRWiss 1988, S. 431, 443 f., 446 ff.,448ff.; Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 123ff.; ferner Lau/Lau,TransportR 1990, 133, 134).
jj) Das danach für die ergänzende Vertragsauslegung übereinstimmend gefundene Ergebnis der Kompetenz des Schiedsgerichts zur Verteilung der außergerichtlichen Kosten deckt sich mit dem Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg vom 3. 4. 1996. Nachdem die dortige Bekl. (mangels Teilnahme an der mündlichen Verhandlung) den Passus der Checkliste betreffend die Erstattung der außergerichtlichen Kosten (wie die hiesige Bekl.) nicht akzeptiert hatte, entschied das Schiedsgericht darüber nach dem Sitzrecht gem. §§ 91ff. bzw. § 92 ZPO (nicht veröffentlicht).
kk) Entgegen der Auffassung der Bekl. läßt die so - dem Grunde nach - bejahte Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten nicht deren willkürliche Verursachung durch die obsiegende Partei zu Lasten der unterliegenden Partei befürchten. Dagegen spricht bereits, daß der Prozeßausgang zum Zeitpunkt der Kostenverursachung unsicher ist. Davon abgesehen beschränkt sich die Ausgleichung auf die entsprechend § 91 ZPO notwendigen Positionen und Beträge (unten III).
2. Erstattungsfähigkeit im Wege der Verzugsschaden-Nebenforderung
Unabhängig von der prozeßrechtlichen Nebenentscheidung ist die Forderung der Kl. auf Kostenausgleichung auch sachlichrechtlich unter dem (von ihr hilfsweise geltend gemachten) Gesichtspunkt des Verzugsschadens begründet. Der materielle Kostenerstattungsanspruch aus Verzug steht insoweit konkurrierend neben der prozeßrechtlichen Kostenausgleichsforderung (Schütze, Schiedsgericht u. Schiedsverfahren, S. 73; vgl. BGH-Urteil vom 9. 3. 1976 VI ZR 98/75, BGHZ 66, 112, 114, NJW 1976, 1256; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO Vor § 91 Rd. 43 ff., 69 “Verzug”; Palandt/Heinrichs, BGB § § 286 Rdnr. 7 “Verzug”). Die Anspruchskonkurrenz wird im übrigen in den Schiedssprüchen nicht bestritten, die eine prozeßrechtliche Verteilung der außergerichtlichen Kosten als ungebräuchlich verweigern (vgl. oben 1d bb; Hamburger freundschaftliche Arbitrage, RSK B 5 Nrn. 1 und 6). Wenn - anders als im Streitfall - eine Kostenerstattung durch Vertrag oder Statut ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. oben 1e ii aaa), dürfte diese Regelung allerdings nach Sinn und Zweck meistens zugleich materiell als Ausschluß eines entsprechenden Verzugsschadensersatzes zu verstehen sein, damit sie nicht weitgehend leerläuft.
Im Streitfall ist dagegen eine Kostenerstattung durch Vertrag und Statut nicht ausgeschlossen. Der Anspruch auf solchen Schadensersatz bei Verzug mit der Bezahlung von Warenkäufen ergibt sich unter der Geltung des Wiener UN-Kaufrechts aus Art. 61 Abs. 1 i.V. mit Art. 74 CISG (vgl. Eberstein/Bacher, in: v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 78 Rd. 34, 36; Herber/Czerwenka, CISG, Art. 78 Rd. 8; Reinhart, UN-Kaufrecht, Art. 78 Rd. 3; Rudolph, Kaufrecht d. Export- u. Importverträge, Art. 78 CISG Rd. 5). Dabei bedurfte es gem. Art. 63 CISG keiner weiteren Zahlungsnachfrist, nachdem die Kl. bei Fälligkeit in 1993 die Bekl. zur Zahlung aufgefordert und die Bekl. die Zahlung ausdrücklich durch die Aufrechnungserklärung verweigert hat, die im Umfang der Schiedsspruchforderung unbegründet war. Da die Kl. materiellrechtlich keine höhere Kostenerstattung als prozeßrechtlich begehrt, stellt sich nicht die Frage, wie sonst der materiellrechtliche Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten mit dem prozeßrechtlichen Verhältnis des Obsiegens in Einklang zu bringen wäre.
III. Erstattungsfähigkeit der einzelnen Kostenpositionen
1. ... In den beantragten Ausgleich der außergerichtlichen Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens sind so die beiderseitigen Prozeßbevollmächtigtenkosten einzubeziehen ..., zusammen je Partei 4.190 DM (§§ 11, 31, 26 BRAGO, ohne Mehrwertsteuer).
2. Das Schiedsgericht läßt die Erstattungsfähigkeit der nach dem Streitwert 143.290,82 DM geltend gemachten Korrespondenzanwaltsgebühr von 2.445 DM gem. § BRAGO § 52 BRAGO nebst Auslagenpauschale 40 DM dahinstehen, bezieht jedoch diese Position unter dem Gesichtspunkt der ersparten Informationsreise zum Prozeßbevollmächtigten in die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung ein (entsprechend § 91 ZPO; vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 91 Rd. 220, 242; v. Eicken in Gerold/Schmidt, BRAGO, 12. Aufl., § 52 Rd. 47; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 5. Aufl., § 52 Rdnr. 29; Bork in Stein/Jonas, ZPO, § 91 Rd. 71b; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rdnr. 13 “Ausländer”). In Anbetracht des Streitfalls bzw. des wechselseitigen Vortrags zur Hauptsache war eine Fülle tatsächlich und rechtlich schwieriger Fragen zu besprechen. Davon abgesehen hat sich der Geschäftsführer der Kl. hierzu unbestritten mit dem Verkehrsanwalt in Hong Kong und Paris getroffen. Daß die ersparte Reise des Geschäftsführers von Hong Kong nach Hamburg teurer wäre als die Korrespondenzanwaltsgebühr, ist von der Kl. substantiiert und von der Bekl. nicht bestritten worden.
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